Selbstwirksamkeit in der Selbstbehandlung

Die Diagnose Typ-1-Diabetes verändert das Leben von Betroffenen grundlegend. Ab dem Moment der Diagnose oder spätestens bei der Entlassung aus dem Krankenhaus sind wir plötzlich für unser tägliches Überleben selbst verantwortlich. Diese Verantwortung ist nicht auf bestimmte Tageszeiten begrenzt, sondern erfordert unsere Aufmerksamkeit rund um die Uhr, an sieben Tagen in der Woche. Die erfolgreiche Bewältigung dieser Herausforderung hängt nicht nur von vielen körperlichen Faktoren ab, sondern auch stark von unserer eigenen Kapazität und Motivation, die nötigen Entscheidungen zu treffen und die entsprechenden Schritte zu unternehmen, um unsere Therapieziele zu erreichen.

Die Rolle der Selbstwirksamkeit

Selbstwirksamkeit beschreibt den Glauben an die eigene Fähigkeit, in bestimmten Situationen angemessen und erfolgreich handeln zu können. In der Selbstbehandlung von Typ-1-Diabetes spielt sie eine zentrale Rolle. Menschen mit hoher Selbstwirksamkeit sind davon überzeugt, dass sie die Kontrolle über ihre Gesundheit haben. Diese Überzeugung führt zu einem aktiveren und positiveren Umgang mit der Erkrankung.

Der Selbstwirksamkeit-Loop

Susan Clever hat in ihrem Vortrag "Diabetes Distress und hilfreiche Kommunikation" den sogenannten Selbstwirksamkeit-Loop vorgestellt. Dieser beschreibt, wie unsere Gedanken unsere Gefühle beeinflussen und wie diese wiederum unser Verhalten prägen, was sich schließlich auf unsere Selbstbehandlung auswirkt.

Der Loop funktioniert folgendermaßen:

1. Gedanken: Unsere Gedanken beeinflussen unsere Gefühle. Wenn wir zum Beispiel glauben, dass wir keine Kontrolle über unsere Blutzuckerwerte haben, fühlen wir uns möglicherweise ängstlich oder entmutigt.

2. Gefühle: Diese Gefühle beeinflussen unser Verhalten. Angst und Entmutigung können dazu führen, dass wir weniger motiviert sind und weniger Kapazitäten haben, unsere Blutzuckerwerte regelmäßig zu überprüfen und/oder die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.

3. Verhalten: Unser Verhalten beeinflusst die Therapieergebnisse. Wenn wir aufgrund negativer Gefühle weniger aktiv sind, kann dies zu subjektiven Therapie-Misserfolgen führen.

4. Therapieergebnisse: Diese Therapieergebnisse beeinflussen wiederum unsere Gedanken. Erfolg oder Misserfolg in der Selbstbehandlung können unsere Überzeugung verstärken, dass wir die Kontrolle haben oder eben nicht.

Der Einfluss von Diabetes Distress

Ein wichtiger Aspekt, der im Selbstwirksamkeit-Loop berücksichtigt wird, ist der Diabetes Distress. Dies beschreibt die emotionale Belastung, die mit der ständigen Selbstbehandlung und der Sorge um zukünftige Komplikationen verbunden ist. Ängste vor Folgeerkrankungen oder die Überzeugung, dass man sowieso nichts ändern kann, können Diabetes Distress auslösen und den Selbstwirksamkeit-Loop negativ beeinflussen. Ein hoher Grad an Diabetes Distress kann die Motivation und Kapazität, sich selbst wirksam zu behandeln, erheblich mindern.

Hilfreiche Strategien

Um die Selbstwirksamkeit zu stärken und den Diabetes Distress zu reduzieren, sind einige Strategien besonders hilfreich:

1. Aufklärung und Bildung: Ein fundiertes Verständnis der Erkrankung und der Behandlungsmöglichkeiten kann das Vertrauen in die eigene Fähigkeit stärken, die Krankheit zu managen.

2. Realistische Ziele setzen: Kleine, erreichbare Ziele können helfen, Erfolge zu erleben und das Gefühl der Kontrolle zu stärken.

3. Unterstützung suchen: Der Austausch mit anderen Betroffenen und auch die Unterstützung durch gute Fachkräfte können emotional entlastend wirken und praktische Hilfe bieten.

4. Positive Gedanken fördern: Das bewusste Fördern positiver Gedanken kann helfen, negative Gedankenspiralen zu durchbrechen und ein positives Selbstbild zu stärken.

Fazit

Die Selbstwirksamkeit spielt eine entscheidende Rolle in der Selbstbehandlung von Menschen mit Typ-1-Diabetes. Der von Susan Clever vorgestellte Selbstwirksamkeit-Loop verdeutlicht, wie unsere Gedanken, Gefühle und unser Verhalten miteinander verknüpft sind und wie sie sich gegenseitig beeinflussen. Ein hohes Maß an Selbstwirksamkeit kann dabei helfen, Diabetes Distress zu reduzieren und die Motivation und Kapazität zur Selbstbehandlung zu stärken. Durch gezielte Strategien wie Aufklärung, realistische Zielsetzung und Unterstützung können Betroffene ihre Selbstwirksamkeit fördern und somit ihre Lebensqualität verbessern.

Naomi Krüger

Naomi Krüger lebt seit über 2 Jahren mit Typ-1-Diabetes und engagiert sich bei Blickwinkel Diabetes für den Austausch unter Betroffenen.

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