ATTD 2024 – Eindrücke aus Florenz

Als Teilnehmer der diesjährigen ATTD (International Conference on Advanced Technologies & Treatments for Diabetes) hatte ich die Gelegenheit, aus erster Hand spannende wissenschaftliche Präsentationen und Neuheiten aus der Industrie zu erleben.

In diesem Blogbeitrag möchte ich meine persönlichen Eindrücke und Erkenntnisse von der ATTD 2024 teilen, einschließlich der innovativen Technologien, Forschungsergebnisse und inspirierenden Diskussionen, die während dieser Konferenz präsentiert wurden.

AID und CGMs für T2D – jede Menge Evidenz

Eigentlich wissen alle, dass es hilft, aber bisher gibt es trotzdem kaum Bewegung in diesem Bereich. Die Rede ist von der Anwendung von Diabetes-Technologien bei Menschen mit Typ 2 Diabetes.

Zu meiner Überraschung wurde das Thema auf der ATTD stark in den Fokus genommen und vielseitig beleuchtet. Die wichtigste Erkenntnis: Der Einsatz von CGMs und AID hilft den Menschen mit Typ 2 Diabetes eine deutlich gesündere Stoffwechseleinstellung zu erzielen. Eigentlich nicht überraschend.

Ein Problem bleibt dennoch weiterhin bestehen: Die Systeme werden aktuell nur in Ausnahmesituationen Menschen mit Typ 2 Diabetes verschrieben. Es muss noch einige Überzeugungsarbeit bei den Krankenkassen geleistet werden.

R. Hovorkas Zusammenfassung, in der die Vorteile der Closed-Loop-Therapie für Menschen mit T2D hervorgehoben werden

CGMs, CGMs, CGMs – neue Hersteller, nicht-invasive Innovationen, prädiktive Algorithmen, Nachhaltigkeit

Die ATTD 2024 war geprägt vom Thema CGM. Ob auf der Industrieausstellung oder den Vorträgen – gefühlt hatte jeder etwas zu diesem Thema beizutragen. Mit Herstellern wie SiBionics, Bionime und Yuwell wird der CGM-Markt zunehmend größer und kompetitiver.

Aber auch im Bereich Innovation gibt es bei CGMs einige Highlights der diesjährigen Konferenz. Auf den Industriesymposia haben unter anderem RSP Systems und Know Labs ihre neuartigen nicht-invasiven CGMs präsentiert. Diese basieren auf Spektralanalysen von reflektiertem Licht, dass vorher per LED auf die Haut gesendet wird. Sie liegen mit MARDs¹ von durchschnittlich 11,7% (RSP Systems [1]) und 11,1% (Know Labs [2]) bereits überraschend nah an den MARDs der marktführenden Unternehmen (Dexcom G7: 8,2% [3]; FreeStyle Libre 3: 7,8% [4]). Ich bin gespannt, wie sich die Technologie in Zukunft weiterentwickelt und wann sie die Marktreife erlangt.

¹ Die MARD bestimmt, wie nah die vom CGM-System gemessenen Glukosewerte an den tatsächlichen Werten liegen. Je niedriger die MARD, desto besser ist die Genauigkeit des CGMs.

Nicht-invasives Smartwatch CGM von RSP Systems

Ein Thema was mich (und viele andere Menschen mit und ohne Diabetes) seit Jahren beschäftigt ist das Thema Nachhaltigkeit. Gerade Menschen mit Diabetes produzieren durch die vielen Hilfsmittel, die täglich in Gebrauch sind, Unmengen an Müll, der in der Regel vermeidbar wäre, wenn die Hersteller einen größeren Fokus auf das Thema legen würden. Auf der ATTD 2024 konnte ich beobachten, dass einige Hersteller nun mit wiederaufladbaren CGM-Transmittern und wiederverwendbaren CGM-Setzhilfen in den Markt eingetreten sind. Es bleibt zu hoffen, dass auch die marktführenden Hersteller nachziehen und das Thema stärker in den Fokus nehmen.

Wiederaufladbarer CGM-Transmitter von Yuwell

Open Source und Projekte aus der Community

Es war eine große Freude zu sehen, dass auch einige Projekte aus der Diabetes-Community ihren Weg zur ATTD gefunden haben. Ein spannendes Projekt, was ich hier nicht unerwähnt lassen möchte, ist D-CODED.

D-CODED ist eine Webplattform, die die Wissenschaftskommunikation aktueller Diabetesforschung verbessern möchte. Forschende können ihre Publikationen bei D-CODED einreichen und anschließend vom D-CODED Team grafisch und informativ aufbereiten lassen. So soll vor allem Menschen mit Diabetes (und Ärzt:innen) ein leicht verständlicher Zugang zu neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen ermöglicht werden.

Jazz Sethi präsentiert D-CODED

Eine weitere bedeutungsvolle Initiative ist die #insulinconcensus Initiative. Die Initiatoren der Initiative möchten hiermit auf die Versorgungsprobleme von Menschen mit Diabetes in Krisenregionen hinweisen (vor allem auf die Versorgungslücke von Insulin als lebenswichtigstes Medikament). Dem Hashtag gehört auch eine Petition an, die Unterschriften sammelt, um das Problem konkreter angehen zu können.

QR-Code

Hier geht es zur Petition von #insulinconcensus

Was mich als Mensch mit Informatik-Hintergrund besonders gefreut hat, waren die Beiträge zum Thema Open Source² in der Wissenschaft. In einem Vortrag wurde beispielsweise die Bedeutung von Open Source als Konzept hervorgehoben, ohne dabei zu spezifisch auf Software abzuzielen. Meines Erachtens sollten sich auch Hardwarehersteller der Open Source Bewegung anschließen und ihre Schaltpläne, Gussmodelle usw. veröffentlichen, anstatt sich gegenseitig mit Patenten zu blockieren und so die Innovationsgeschwindigkeit massiv zu verringern.

² Open Source beschreibt ursprünglich Software, deren Quellcode öffentlich einsehbar ist

Fazit

Insgesamt war die Teilnahme an der Konferenz für mich eine sehr inspirierende Woche. Vor allem die neuen CGM-Hersteller, die das Thema Nachhaltigkeit in den Blick nehmen, haben mir gefallen. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal #dedoc° dafür danken, dass sie mit ihrem Voices-Programm dazu beitragen Wissenschaft und insbesondere die Welt der wissenschaftlichen Konferenzen für Menschen mit Diabetes zugänglich zu machen.

#nothingaboutuswithoutus

Quellen

[1] https://rspsystems.com/2024/03/11/clinical-results-revealed-at-attd/

[2]https://www.knowlabs.co/post/know-labs-non-invasive-glucose-monitor-achieves-11-1-mard-in-latest-clinical-research-study

[3] https://de.provider.dexcom.com/dexcom-g7

[4]https://pro.freestyle.abbott/de-de/home/freestyle-libre-3-messsystem/freestyle-libre3.html

Hannes Voss

Hannes ist seit einigen Jahren als Advocate unterwegs, arbeitet regelmäßig an Algorithmen zur Steuerung von Insulinabgaben und arbeitet aktuell in einem Startup, das die Therapie von Menschen mit Typ 1 Diabetes langfristig verbessern möchte.

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Vorfreude… Mal ein Artikel vorab!